Corona – Schwerpunkte und offene Fragen (20.04.2020)

Bündnis für Lebenswerte Ortschaften

Corona – Schwerpunkte und offene Fragen (20.04.2020)

15. Mai 2020 Allgemein 0

Die Corona-Krise hat den Alltag radikal verändert, was gerade in Großstädten wie Ulm spürbar ist. Wir bedanken uns herzlichst bei allen Beschäftigten der Krankenhäuser, die „an der vordersten Front“ sind, aber genauso der Polizei und den Ordnungsdiensten und allen systemrelevanten Einrichtungen, die vor ganz neue Aufgaben gestellt wurden. Dieser Dank geht ebenso an die Stadtverwaltung, die mit Hochdruck an den Notmaßnahmen arbeitet und den Gemeinderat ausführlich informiert hält. Genauso verdient auch die Arbeit der sehr zahlreichen „Held*innen des Alltags“ an den Kassen, am Steuer der Busse und Bahnen und in vielen anderen Bereichen, die nicht ins Homeoffice verlagert werden können und einen täglichen Kontakt mit großer Zahl von Menschen und ein entsprechendes Ansteckungsrisiko mit sich bringen, höchste Anerkennung. Besonders bedanken wir uns ebenso bei der gesamten Stadtgesellschaft, die die Einschränkungen trotz großer individueller Härten mitträgt und Solidarität zeigt.

Nachdem sich die Notmaßnahmen laut den Ansteckungszahlen, erhoben durch das RKI, bewährt haben und die Zahl der Neuansteckungen wesentlich verringert wurde, stellt sich nun die Herausforderung des „stufenweisen Hochfahrens“. Dabei ist offensichtlich, dass wesentliche Einschränkungen noch für Wochen und Monate bestehen bleiben müssen, andernfalls droht eine neue Infektionswelle. Die Stadt ist gefordert, vor diesem Hintergrund nach den bestmöglichen Lösungen zu suchen.

Fest steht nach wie vor, dass alle Beteiligten im Rahmen ihrer Aufgaben vor der rechtlichen und moralischen Verpflichtung stehen, den bestmöglichen Gesundheitsschutz aller Bevölkerungsteile sicher zu stellen, die Ausbreitung des Virus zu begrenzen und zeitgleich ein Funktionieren der öffentlichen Institutionen auf einem höheren Niveau als in den vergangenen Wochen zu ermöglichen. Diese Abwägung müssen Verwaltung und Gemeinderat gemeinsam und in aller Ernsthaftigkeit vornehmen und laufend aktualisieren.

Im Vorfeld der am 23. April anstehenden Sitzung des Hauptausschusses, der ersten Sitzung eines städtischen Gremiums nach der „Corona-Pause“ hat die Fraktion die aus unserer Sicht wesentlichen offenen Fragen und Schwerpunkte benannt. Wir hoffen auf eine sachliche Debatte und breite Mehrheit für die Festlegung der nunmehr anstehenden Arbeitsschwerpunkte. Dabei beschränken wir uns auf Themen innerhalb kommunaler Zuständigkeit und beleuchten die wirtschaftpolitischen Maßnahmen nicht näher, weil diese zwar zweifellos extrem wichtig sind, aber bei Bund und Land liegen.

Erster Schwerpunkt: Familien und Kinder unterstützen

Da angekündigt wurde, dass Kindergärten nicht vor dem 1. August 2020 in den Normalbetrieb gehen können und auch die Schulen nur stufenweise öffnen werden, stehen vor allem Eltern mit kleinen Kindern und auch die Kinder selbst unter enormen Druck. Die Kinder können seit Wochen ihre Freund*innen nicht mehr sehen. Dabei steht nicht nur das Vermissen als solches im Fokus. Kinder lernen durch den Kontakt zu gleichaltrigen viele wichtige Verhaltensweisen. Viele Eltern müssen irgendwie im Homeoffice ihre Kinder beaufsichtigen, eine kindgerechte Betreuung ist in der Praxis nicht immer möglich. Das ist eine Belastung, die an die Substanz geht. Wir halten es für erstrebenswert, neben der Notbetreuung für Kinder von Eltern in systemrelevanten Berufen, allen Eltern die Möglichkeit zu geben, ihre Kinder für wenigstens einen Tag in der Woche betreuen zu lassen. Das würde zumindest für eine leichte Entspannung sorgen. So können die Gruppen klein genug gehalten werden, um zumindest eine Basis für den Infektionsschutz zu legen. Nach Möglichkeit sollten auch Alleinerziehende mit mehreren Kindern im Vorschulalter den Zugang zur Notbetreuung erhalten. Wir bitten um eine Einschätzung der Zulässigkeit sowie der praktischen Machbarkeit vor dem Hintergrund des Ziels, die Verbreitung des Virus zu begrenzen, sowie ggf. um die Beantragung einer Genehmigung hierfür bei der zuständigen Landesbehörde. Weiterhin sollte mit den Erzieher*innen und Lehrer*innen überlegt werden, welche Kinder zusätzlich Zugang zur Notbetreuung haben sollten, zum Beispiel weil sie in besonders schwierigen finanziellen oder sozialen Verhältnissen aufwachsen und ihnen zu Hause Gewalt droht, es nicht genug Essen gibt oder sie den Schulstoff nicht alleine Lernen können. So würde ein starker Niveauunterschied von dem, was Schüler*innen gelernt haben sollen, zumindest etwas entgegengewirkt werden.

Zu klären gilt ferner eine Rückerstattung der Gebühren für Kinder, die die Einrichtungen nicht besuchen. Auch in der Frage, was mit den geplanten KiTa-Schließtagen nach der vollständigen Öffnung geschieht, muss baldmöglichst geklärt werden. Viele Eltern werden jetzt ihren Jahresurlaub nehmen müssen, um in der Zeit die Kinder zu betreuen. Sie würden an geplanten Schließtagen die Betreuung nicht mehr abdecken können. Weiterhin haben wir die Frage gestellt, ob bestimmte Freizeiteinrichtungen wie Spielplätze unter Auflagen geöffnet werden können und Ferienangebote wie das Ruhetal in Betrieb gehen können.

Außerdem haben wir die Verwaltung um Auskunft gebeten, wie die Erzieher*innen vor einer Ansteckung geschützt werden können und ob man spezielle Maßnahmen ergreifen muss, wenn sie oder ihre Angehörigen im selben Haushalt zu den Risikogruppen zählen.

Bei der nun angekündigten schrittweisen Öffnung der Schulen stellt sich uns die Frage, wie der Mindestabstand bei der Schüler*innen-Beförderung gewahrt bleiben kann. So voll, wie Busse und Bahnen „im Normalbetrieb“ sind, wird das Ansteckungsrisiko nur zu minimieren sein, wenn wesentlich mehr Fahrzeuge unterwegs sind, zum Beispiel durch das Heranziehen von  Reisebusunternehmen und gestaffelte Anfangszeiten. Sollte die Kultusministerin keine Verkürzung der Sommerferien an Schulen umsetzen, sehen wir die Stadt gefordert, auch für Schüler*innen eine Sommerbetreuung anzubieten, weil die Problematik des teilweise verbrauchten Urlaubs der Eltern auch hier besteht.

Zweiter Schwerpunkt: zu unseren Partner*innen stehen

Zahlreiche Vereine und Einrichtungen aus dem karitativen, sozialen, kulturellen, künstlerischen und dem Bildungsbereich kommen mit jedem Schließtag in größere finanzielle Schwierigkeiten. Diese Einrichtungen sind für die Stadtgesellschaft zentral, die Stadt ist daher gefordert, ihr Überleben zu sichern – schließlich muss sich eine Partnerschaft gerade in der Krise bewähren. Während es für den gewerblichen Bereich Hilfsprogramme des Bundes, des Landes und der KfW gibt, tun sich gemeinnützige Einrichtungen da deutlich schwerer. Wir halten es für wesentlich, das Signal auszugeben, dass die Stadt zu ihren Partner*innen steht, und somit bereit ist, diese Einrichtungen mit Zuschüssen und Darlehen zu retten. Die Finanzverwaltung sollte einen entsprechenden Nachtragshaushalt vorbereiten und die zuständigen Fachverwaltungen eine Übersicht über die betroffenen Einrichtungen und den Grad ihrer Betroffenheit erstellen.

Offene Fragen, die wir an die Stadtverwaltung weitergereicht haben:

Gibt eine Abschätzung der Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Insolvenzen?

Ist bereits eine erste Abschätzung der Steuerrückgänge und sich daraus ergebenden Auswirkungen auf den Haushalt möglich, was bedeutet das für die Eckwerte, die HH-Planberatungen 2021 und die Investitionsstrategie; wird eine Haushaltssperre erwogen?

Wie sieht die finanzielle Lage bei den besonders betroffenen Gesellschaften, namentlich der Ulm-Messe und UNT aus? Gibt es Grund, sich Sorgen zu machen?

Bezüglich des Homeoffice und Vor-Ort Arbeitens der Stadtverwaltung: Wie ist die aktuelle Lage, wie viele arbeiten im Büro, wie viele von daheim, welche Kapazitäten hatte die Stadt vor der Krise (mobile Geräte, VPN-Zugänge usw.), was wurde in der Krise ausgebaut, wo hängt es noch, welche Tools nutzt die Verwaltung für das digitale Zusammenarbeiten?

Wird die mit den TVÖD-Partner*innen vereinbarte Kurzarbeit bei der Stadt oder ihren Gesellschaften angewandt und wenn ja, in welchem Umfang?

Welche Forderungen und Aktivitäten der Kommunen (durch die Spitzenverbände) an Land und Bund (Rettungsschirm/ Konjunkturprogramme usw.) sind aus der Sicht der Stadtverwaltung besonders dringend und wie ist der Stand der Umsetzung?

Wie steht es im Moment um die bereits begonnenen Bauvorhaben? Wird da im Moment weiter gebaut?

Wie steht es um die Wohnungen der UWS? Werden dort Fertigstellungen eingehalten werden können oder sind bereits jetzt (deutliche) Verzögerungen absehbar?

Ist es möglich, die Hauptausschusssitzung virtuell zu übertragen, sodass alle Stadträtinnen und Stadträte der Sitzung folgen können?

Wie steht es um unseren Tierpark? Ist dieser finanziell abgesichert, sodass Notschlachtungen wie in anderen Zoos nicht in Betracht gezogen werden müssen?

Wäre eine Aufhebung des Taubenfütterungsverbotes für die Zeit der Corona-Krise möglich, da diese im Moment in den Innenstädten verhungern?

Wir haben dazu vom OB Gunter Czisch folgende Antwort erhalten: https://blo-ulm.de/wp-content/uploads/2020/05/Antrag-Corona-Fragen.pdf